In Teufels Küche hört man Hardrock

Sascha Bendiks und Simon Hoeness

In Teufels Küche hört man Hardrock

Sascha Bendiks

Sascha Bendiks

Simon Hoeness

Simon Hoeness

Appenzell wurde vor Weihnachten

nochmal schön gerockt

Bevor es rundherum besinnlich wird, rockten am vergangen Samstagabend Sascha Bendiks und Simon Höness Appenzell nochmals tüchtig. Ihr Teufelsritt – mit ein paar Umwegen – durch die Geschichte des Hardrock pustete die Ohren durch und massierte die Zwerchfelle. Das Publikum fühlte sich in Teufels Küche richtig wohl.

(mo) Die von Simon Höness und Sascha Bendiks aufgemöbelte «Hells Kitchen» ist nicht nur ein Ort für Liebhaber des harten, lauten Rock. Auch Kabarett- und sonstige Musikfreunde kamen am letzten Kulturgruppen-Anlass des Jahres auf ihre Kosten. «Denn Rockmusik ist eigentlich wunderschöne Musik – so ohne Stromgitarre», wie Sänger und Entertainer Sascha Bendiks versicherte. Die drei Akkorde und anspruchslosen Texte gehen direkt in den Bauch, ohne intellektuell erfasst werden zu müssen. Es geht um Sex, Drugs und manchmal um Satan. Das Publikum war also gewarnt.

Angemessene Bühnentechnik
Soviel Kabel hätte er noch nie verlegt, sagte Kulturgruppen-Leiter Silvio Signer. Zwanzig Scheinwerfer wurden im Saal des Hotel Hecht aufgebaut, Monitore und sieben Mikrofone montiert. Zum Glück konnte man auf das Equipment des Gospelchors zurückgreifen. Vielleicht eine pikante Kooperation, aber es zeigte sich bereits beim Soundcheck: Krachende Teufelsmusik und Katholiken können gut zusammen.
Um die Zartbesaiteten im Publikum nicht gleich zu verschrecken, begann das kabarettistische Musikprogramm mit balladesk geschmachteten Bekenntnis: «I love Rock’n’Roll». Doch schon beim folgenden «Hells Bells» – ein unberechenbar über dem Kopf des Pianisten schwingendes Glöcklein» – gab das Duo tüchtig Zunder.
Einen wahren Höllenritt absolvierte Simon Höness am verschrammten  Klavier: Er begleitete die spektakulären Abgänge berühmter Rockstars dramatisch, machte aus ihren Hymnen sanfte Wiegenlieder und heisse Latin-Nummern und «Smoke on the Water» passte er perfekt in den Easy-Listening-Sound eines «Smooth Operator». Und Sascha Bendiks legte TNT und Dynamite nach und zweigte kurz darauf ab in Walzergefilde: «We will rock you» als Hoppelhardrock im volkstümlichen Dreivierteltakt– wunderbar!
Die Künstler schälten die Kerne ikonischer Rocksongs aus E-Gitarren-Geschrammel und Trommel-Gewitter und legten die zauberhaften Melodien dem Publikum zu Füssen, das sich eins ums andere Mal mit Beifallstürmen bedankte. Stets versahen die beiden ihre hinreissenden Performances mit einem Augenzwinkern – oder mit deftiger Ironie. Zum Beispiel als Bendiks den millionenfach heruntergenudelte Scorpions-Hit «Winds of Change» (ins Deutsche übersetzt) wie ein überkandidelter Sänger aus den Dreissigerjahren mit rollendem R vortrug. Herrlich! Monsterballaden wie «Stairway to Heaven» drehten die beiden grossartigen Musiker um und schickten den Gehörnten mit Tangogeklapper, ekstatischem Gesang und „rachmaninovskischen“ Piano-Improvisationen dahin zurück wo er hergekommen ist: in Teufels Küche.

Höllenritt auf ehrwürdigem Piano

Seit elf Jahren reisen die beiden Künstler aus Süddeutschland mit «Hells Kitchen» durch die Lande. Sie treffen dabei auf eine Publikumsgeneration, die von Hardrock mitgeprägt wurde. Das mag einen Teil des zunehmenden Erfolgs erklären. Ausschlaggebend sind aber die Anekdoten und Hintergründe die eingeflochten werden, die Flirts mit dem Publikum, die Ausgewogenheit zwischen Rockgedröhn und schöner Musik und vor allem die grossartige Performance der beiden – musikalisch wie schauspielerisch.
Seit einigen Monaten gibt es eine Fortsetzung der Variationen aus der Rockgeschichte in es-Moll. Das Appenzeller Publikum bekam als Zugabe einen umwerfenden Appetizer. Zuerst ein «Zückerli»:  Der Text klang so kryptisch wie die Lyrics von Tom Waits oder ein finnisches Volkslied. «Niemer im Nüüt» – den zauberhaften Song von Büne Huber sang Sascha Bendiks in liebevoller Verehrung. Und dann brodelte es nochmals in Teufels Küche: Die Begeisterung kochte über. Bob Dylan interpretierte affektiert näselnd die «Bohemian Rhapsody» – ein umwerfendes Ereignis und ein letzter Höllenritt für den Pianisten und seine teuflisch schnellen Händen – und für das altehrwürdige Piano im «Hecht».

Text: Monica Dörig
Bilder: Monica Dörig, Silvio Signer