AV - Schön & Gut

«Die Welt ist ein Taschentuch»

Wortwitz, Poesie und Satire trafen sich im Kabarett «Schön & Gut» auf einem Provinzbahnhof. Die kleine Bühne im «Tübli» Appenzell wurde am Samstagabend zum Perron eines Bahnhofs und zur Plattform für bittersüsse Liebesgeschichten, verpasste Gelegenheiten und poetische Träume. Das Duo «Schön & Gut» begeisterte mit geschliffenen Dialogen und hintersinnigen Wortspielen.

Adrett waren sie anzusehen: Katharina Gut, Matrosentochter aus Hamburg im rosa Chanel-Kostüm, die ihre Grossmutter besuchen will und Georg Schön, Metzgersohn und verkannter Dichter im karierten Anzug, auf dem Weg in die weite Welt.

Mit feinem Gespür
Sie haben nicht nur den Zug, sondern schon manche Gelegenheit in ihrem Leben verpasst. Beide schwelgen im trostlosen Niemandsland des Provinzbahnhofs in Nostalgie, sinnieren singend verflossenen Schwärmereien nach und erzählen sich die Geschichten ihrer Grosseltern, Eltern und ihrer eigenen Jugend. Das tun sie mit präzisen Dialogen, die zum Beispiel mit Ortsnamen ganze Episoden erzählen. Sie tun es mit feinem Gespür für Mimik und Körpersprache. Der Metzger Georg Schön (Ralf Schlatter), der lieber Dichter wäre, träumt von einer Ladentheke voller Poesie: «junges Gemüse zum Förderpreis» oder «einen dicken Schinken von Muschg» hätte er im Angebot oder darf es noch «etwas Grass» sein? Katharina Gut (Anna-Katharina Rickert) aus einem Kompromiss zwischen einer Pfarrerstochter und einem Schweizer Matrosen stammend, ist die übereifrige Feministin in der Gemeindeversammlung. Sie singt nicht nur schmalzige Heimatlieder sondern ebenso inbrünstig holprige Protestlieder mit ihrem Partner im Duett. Das Duo «Schön & Gut» erzählt dem Publikum auf dem Bahnsteig, der plötzlich die ganze Welt bedeutet mit scharfer Zunge von den Menschen, die alle im selben Schlauchboot sitzen, von abstrusen Fusionen zwischen Christkind und Osterhasen etwa, von Krieg und Politik, vom täglichen «gümligen». Und aus dem Akkordeon rauscht das Meer. Der Schriftsteller Ralf Schlatter, dessen Buch «Federseel» bald verfilmt werden soll und die Schauspielerin Anna-Katharina Rickert, die mit unvergleichlichem Augenaufschlag in die Welt hinaus blickt, sind ein Paar, das durch ihre Liebe zum Wort, zur Poesie und zur Musik Geschichten verwebt zu einer Parabel vom Ankommen, Unterwegssein und Weiterziehen, zu einem Kaleidoskop aus kleinem Glück und grosser Sehnsucht.

Herzerfrischend schön und gut
In Spanien sagt man: «Die Welt ist ein Taschentuch». Am Samstag abend war die Welt im «Tübli» zu Gast. Das Publikum, das die frisch renovierte Wirtschaft bis in den hintersten Winkel besetzt hatte, war hingerissen von den poetisch-melancholischen Monologen und Liedern, lachte herzhaft über die feinsinnigen Wortspiele und frechen Anspielungen. Die jungen Kabarettisten werden zu Recht in diesen Tagen mit dem Salzburger Stier geehrt, einem Preis für bestes deutschsprachiges Nachwuchs-Kabarett. Die Geschichten der Matrosentochter und des Metzgersohns sind herzerfrischend schön und sie gehen gut aus. Katharina findet ihren Jugendschwarm und Georg sieht das Meer in ihren Augen.

Monica Dörig