Lachen befreit in unsicheren Zeiten wie diesen

NACHTderkleinKÜNSTE 2022

Strohmann Kauz in der Kunsthalle Ziegelhütte

NACHTderkleinKÜNSTE 2022

Irene Mazza in der Kunsthalle Ziegelhütte

NACHTderkleinKÜNSTE 2022

Kiko in der Kunsthalle Ziegelhütte

NACHTderkleinKÜNSTE 2022

Lukas Weiss in der Kunsthalle Ziegelhütte

NACHTderkleinKÜNSTE 2022

Nina Wägli in der Kunsthalle Ziegelhütte

Kulturgruppe lud wieder ein zur Nacht der Kleinkünste

Die Nacht der Kleinkünste ist in der Szene schon lange Kult. Zum zweiten Mal war Appenzell Station der Minitournee von Schweizer Kleinkunstschaffenden, die mit Kurzauftritten einen im Wortsinn bunten Abend gestalten. Nicht «chli Kunst», sondern beste Unterhaltung wurde auf der Bühnenplattform in der Kunsthalle Ziegelhütte geboten.

In unsicheren Zeiten wie diesen tut lachen besonders gut. Am Samstagabend konnten die hundert Gäste der Kulturgruppe Appenzell für ein paar Stunden den Krieg, die Energiekrise, humanitäre Notlagen, drohende Epidemien und die Umweltkatastrophen vergessen – obwohl das Moderatorenduo ganz fein auch Bezug zur Aktualität nahm. Der Querschnitt durch die Schweizer Kleinkunstszene – in der Kunsthalle Ziegelhütte nach 2020 zum zweiten Mal geboten – bot viel Abwechslung und vor allem vergnügliche Unterhaltung. Das Format scheint dem regionalen Publikum gut zu schmecken.

Befreiendes Gelächter
In Zeiten wie diesen, wo Worte auf die Goldwaage gelegt werden müssen, in denen zwischen Begriffen laviert wird, um niemandem auf die Minderheitenzehen zu treten; in Zeiten wie diesen wo dauernd Genderklippen umschifft werden müssen und niemand als Rassist verdächtigt werden will, ist es sehr befreiend über politische Unkorrektheit zu lachen. Das können wir wenn Betroffene selbst die Witze machen. Oder wenn wir über uns selbst lachen: Etwa über die Knochensteife von Senior Ruedi und über die steife Oberlippe seines Kollegen Heinz. Die beiden kultigen Figuren des Theaterkabaretts Strohmann-Kauz (Rhaban Straumann, Matthias Kunz) verstehen sich öfter mal falsch – was im fortgeschrittenen Alter vorkommt und uns alle dereinst ereilt. Sie haben charmant tatterig durch den bunten Abend geführt und lustige Brücken zwischen den Nummern gebaut. In der «Nacht der Kleinkünste» durfte man auch herzlich lachen über die Integrations-Erfahrungen eines Buben aus der Dominikanischen Republik. Seine Erinnerungen an die erste Zeit in der Schweiz und die Erlebnisse aus dem Alltag des dunkelhäutigen Erwachsenen mit schönstem Thurgauer Dialekt sagen viel über uns selber aus. Des Schweizers Eigentümlichkeiten sind mit den Augen von Zugewanderten betrachtet, manchmal wirklich zum Lachen. Stand up Comedian Kiko darf sich über Migranten-Missverständnisse lustig machen und dank ihm dürfen wir herzhaft darüber lachen. Er schaut mit Selbstironie und viel Sympathie auf beide Seiten.


Lücke prima gefüllt
Die erfrischenden Momente hatte das Publikum dem Umstand zu «verdanken», dass das angekündigte Kleinkunst-Multitalent Jane Mumford krankheitshalber sehr kurzfristig ausfiel. Dank etlichen Telefonaten des Agenten Pascal Mettler von der organisierenden Agentur Kulturbau und dank eines glücklichen Zufalls, wurde buchstäblich in letzter Minute Ersatz gefunden. Kiko, Frank Cabrera Hernandez, war «zufällig» in der Nähe. Er hat den Abend tatsächlich bunter gemacht und die Lücke gut gefüllt.
Ausserdem staunten die Gäste in der Show, die aus mehreren Kurzauftritten der sechs Mitwirkenden bestand, über die Step-Tanzkünste von Lukas Weiss. Er kombiniert sie mit verblüffender Jonglage, Body-Perkussion und Vocalizing – eine einzigartige Mischung. Er kann gar mit den Füssen sprechen.
Es stand zudem die zauberhafte Liedermacherin Irene Mazza mit ihrer Gitarre auf der Bühne und sang und «schnäderete» schönste Reimen und Wortspielereien ins Mikrofon – ein bisschen in der Tradition der Berner Troubadoure, aber mit eigener Poesie, Sprachverliebtheit und Augenzwinkern. Dass sie ein tolle Sängerin ist, darf nicht unerwähnt bleiben.
Die hausbackenste im Bunde war Nina Wägli, die als früherer Spitalclown und ehemalige Flight Attendant mit politischen Ambitionen ein paar Pointen setzte, die wie das grüne Kostüm nicht taufrisch waren, aber mit ein paar gelungenen Wendungen punktete.

Tournee in Appenzell beendet
Das Konzept der «Nacht der Kleinkünste» fusst auf der alten Varieté-Tradition. Vertreterinnen verschiedener Kleinkunst-Genres, solche mit viel Erfahrung oder solche auf dem Sprung auf die Bretter die ihnen die Welt bedeuten könnten, gestalten jeweils den Abend. «Grosse Kunst, klein gedacht – so ähnlich wie Minigolf», erklärte einer der beiden «Digital Seniors». Wie eine Wundertüte in der alle Gäste etwas finden das ihnen mundet.
Zusammengehalten wird das Ganze von Moderatoren, die sich auskennen: am Samstag Strohmann & Kauz, ein Duo, das man knuddeln möchte. Die zwei Zausel erinnern ein bisschen an die beiden zynischen Greise der Muppetshow, sind aber schweizerisch bünzlig und liebenswert. Sie meinen mit Blick auf bundesrätliche Sparempfehlungen,
man sollte sich öfters aufregen: «Das gibt schön warm». Lachen hilft auch! Es war eine Freude, von den beiden durch den Abend begleitet zu werden.
Zum Abschluss der 2022er-Tournee, den die Truppe in Appenzell feierte, gabs eine einheimische Spezialität in flüssiger Form, Rosen, viel Applaus. Und Gäste, die noch lange zusammen sassen und unbeschwert lachten.

Text und Bilder: Monica Dörig