Heldinnen der Kleinkunstbühnen

Duo Luna-tic erschütterte als Antigone und Ismene – die Zwerchfelle

Der letzte Anlass des Jahres 2022 der Kulturgruppe Appenzell war eine todsichere Nummer: Geplant war die Tragödie «Antigone», aber mit dem Happy End hat das pfiffige Duo Luna-tic die Besucherinnen und Besucher glücklich gemacht.

Auf der Bühne in der ausverkauften Kunsthalle Ziegelhütte stand am Samstag ein braunes Piano. «… obwohl es mit Weiss angeschrieben ist», wie Claire feststellte – mit diesem unnachahmlich fröhlich-erstaunten Gesicht unter der elektrisierten Haarpracht. Das Klavier sei ein gutes, habe der Klavierstimmer am Vormittag bestätigt, erzählte Silvio Signer, Leiter der Kulturgruppe Appenzell, der Gäste aus der nahen Umgebung und der weiteren Schweiz begrüsste. Das Instrument wurde den Kleinkunstveranstaltern vom Männerchor Harmonie Appenzell vermacht, als er sich vergangenes Jahr wegen fehlenden Nachwuchses aufgelöst hat.

Ein Klavier steht immer im Mittelpunkt, seit sich Stefanie Lang aus Genf und Judith Bach aus Berlin in der Scuola Dimitri gefunden haben. Sie schütteten ihre Talente zusammen – Gesang, Klavierspielen, Akrobatik, Schauspielkunst, Clownerie. Mit diesem Kessel voller witziger Dialoge, bunter Melodien, lustigen Ideen und hinreissendem Slapstick sind sie seit bald zwanzig Jahren unterwegs, um die Welt für ein paar Stunden bunt anzumalen.

Das Streben nach Höherem

Auch am Samstag flogen und turnten sie ums Klavier, spielten und sangen, dass es eine Freude war, solo oder vierhändig: Die Klavierakrobatik ist längst zum Markenzeichen des Duo Luna-tic geworden.

Claire, mal naiv, mal pragmatisch, mal grummelnd, die gewiefte Göre mit Berliner Schnauze, und Olli, die Elegante, Schöngeistige mit Diva-Attitüde und charmantem französischen Akzent, gastierten zum dritten Mal in Appenzell. Aber «so viele Appenzeller auf einem Haufen» wie am Samstag haben sie noch nie gesehen.

Diesmal wog ihr Kessel Buntes schwerer. «Antigone» wollten sie geben, eine 2500 Jahre alte griechische Tragödie von Sophokles, in der viel gestorben wird. «Eine Tragödie ist eine todsichere Angelegenheit », ist Olli überzeugt. Sie wollte endlich tiefgründige Kunst machen und in Schönheit sterben. Claire war trotz der beeindruckenden Posen dann doch noch nicht bereit, den Heldinnentod zu sterben und auf die schönen Dinge des Lebens zu verzichten. Beide versicherten dem Publikum jedoch ihre Bereitschaft zum Kampf. «Doch wofür sollen wir kämpfen? Wir brauchen ein Problem!», so die Erkenntnis.

Das Streben nach Heldentum
Während Olli nach Höherem strebte, war es Claire danach zu lachen und den kleinen grünen Kaktus zu besingen. Das ist lustig und kommt immer gut an. Der Beweis wurde als zweite von drei Zugaben nach den tosenden Applausen erbracht. Doch zuvor hinterfragten die beiden ungleichen Kabarettistinnen die tragische Handlung und ihre eigene Inszenierung, die die Zwerchfelle erschütterte. Die beiden liessen sich gern auf Gedankenumwege führen, warfen sich in Pose und hellenisch anmutende Umhänge um, alberten herum, lockerten die Familientragödie mit eigenen und adaptierten Chansons auf. Das Publikum lachte lauthals heraus, kicherte, schmunzelte, hielt sich die Bäuche, wischte sich Lachtränen weg.

Nur kurz blieb es mucksmäuschenstill, als Claire ungewohnt ernst darüber philosophierte, was Glück ist, was es braucht, um glücklich zu sein und wer in dieser Zeit Glück hat. «Eine Wahnsinnsszene!», wie sie selbst mit leuchtendem Gesicht rief, als sie zurück auf die Bühne stürmte.

Olli und Claire verloren Antigone zwar zwischenzeitlich aus den Augen. Sie erkannten aber, dass die tragische Figur als Beispiel taugt, um in der Welt einzustehen für das, was wirklich wichtig ist. «Wir alle könnten Antigone sein. Nun, nicht heute und auch nicht morgen, weil ja Sonntag ist, vielleicht nach Weihnachten…» Was Olli (Stéfanie Lang) und Claire (Judith Bach) wollen, ist einfacher: «Wir lieben es wenn die Menschen lachen und glücklich heimgehen.» Das ist nicht tragisch. Und das ist ihnen am Samstagabend wieder grossartig gelungen – diesen Heldinnen der Kleinkunstbühnen.

Text und Bilder: Monica Dörig