AV - Lauter improvisierte Happy Ends

Zum ersten Mal in Appenzell: Theatersport im Kleinformat

Was Improvisationstheater bietet, ist schlichtweg umwerfend. Schlag auf Schlag werden mit Impulsen aus den Zuschauerreihen Dialoge, Slapstick, Liebes- und Sterbeszenen aus den Ärmeln geschüttelt. Am Samstagabend erlebte das Appenzeller Publikum seine Wunschszenen in der «Impro Show» in zum Teil fulminanten Umsetzungen.

Die Kulturgruppe GfI hat drei Mitglieder des Theatersport-Ensembles des Casino Theaters Winterthur eingeladen, um unter Mitwirkung der Zuschauer Stücke zu spielen. Ohne Kostüme und Requisiten, ohne Sicherheitsnetz.Theatersport meint gemeinhin den Wettkampf zweier Darsteller-Teams; das Publikum gibt die Inputs und kürt eine Truppe zur Siegerin. In Appenzell gab es am Samstagabend die Impro Show - Theatersport im Kleinformat sozusagen: Improvisationstheater als Interaktion und zum reinen Vergnügen.


Fahrt mit der Gefühlsachterbahn

Es war ein grosses Vergnügen: Premieren und Dernièren zugleich, garantierte Welturaufführungen erlebte das begeisterte Publikum in der Landbäckerei Sammelplatz am Kreisel.
Nach einer kurzen Aufwärmübung ging es Schlag auf Schlag. Zu Stichworten aus der Zuschauerschar wurden kurze Sequenzen gespielt. Um das Funktionieren des Impro-Theaters zu veranschaulichen spielten Martina Schütze, Reto Bernhard und Tim Owe Georgi im Dreieck. Zwei Darstellende werden dabei durch Handklatschen mitten im Spiel vom nächsten Schauspieler abgelöst.
Dann lud das Trio ein auf eine Fahrt mit der Gefühlsachterbahn. Aufgrund des Stichwortes aus dem Publikum entwickelte sich ein wirrer Dialog zwischen Skischul-Schüler und Skilehrerin. Die Zuschauenden riefen ihnen dabei die Emotionen zu, die ins Spiel kommen sollten: Aggression, Eifersucht, Verliebtheit. Die Ausdruckskraft der Gesichter von Reto Bernhard und Martina Schütze waren allein schon ein tolles Schauspiel. Es kam zum ersten Happy End.


Grandiose Leistung

Ein Bravour-Stück wurde der gewünschte Thriller «Der lebendige Tote». Als wärs ein fertig inszeniertes, bereits geschriebenes Stück spielten sich die drei durch ein Schauermärchen in gereimter Form und wie aus einem Guss. Eine grandiose Leistung mimisch wie sprachlich! Die Fantasie wucherte; Tim Owe Georgi brillierte als monströser Untoter; Martina Schützes Mimik sprach wieder Bände. Und auch hier bescherte die Theatertruppe seinem Publikum ein Happy End.Beim Buchstaben-Theater kam das Publikum kaum mehr mit mit Denken und Staunen und Lachen. Zum Thema Jagd begann jeder Satz der Reihenfolge des Alphabets entsprechend - Angefangen bei G wie «Grosser Gott, ein Hirsch!» (kapital: Reto Bernhard) bis zum glücklichen Ende mit «Ha!» wie H.
Beim Aerobic-Theater agierten Martina Schütze und Reto Bernhard wie Marionetten, von zwei Personen aus dem Publikum geführt. Bewundernswert, dass die beiden noch die passenden Worte dazu fanden. Tim Owe Georgi spielt dazu und auch sonst immer wieder die E-Gitarre. Überhaupt erwiesen sich die drei als Mulitalente.


Appenzeller Superszene

Als das Publikum sein Lieblings- Impro-Stück wählen konnte, zeigten sie ihre Qualitäten als Musicaldarsteller. Bei der Kür der «Appenzeller Superszene» forderten die Zuschauer das Krimi-Genre, ein Stück in Thomas Mann-Manier (mit ellenlangen Sätzen, im grossbürgerlichen Milieu angesiedelt) und ein Musiktheater zum Thema Lottogewinn.
Während eine Giftmörderin mit dem Haudegen Edi im Heissluftballon vor der Polizei floh, stritten sich zwei verschwägerte Männer bis hin zum Besäufnis um das Erbe eines gestrengen Unternehmers, und ein Paar, das unverhofft zu Reichtum gekommen ist, schlitterte in die Beziehungsfalle. Im Finale blieben der Krimi und das Millionärsmusical. Letzteres endete nach etlichen Gesangseinlagen - man ahnt es bereits - in schönster Minne.
Und so harrte nur der Kriminalfall noch einer glücklichen Auflösung. Martina Schütze hatte arg viel zu tun. Sie spielte Mörderin, Liebhaberin, Assistentin und Leiche fast gleichzeitig. Dank trotteligen Kommissaren samt ebensolchen Assistenten und dank Kommissar Zufall konnte der James-Bond-Verschnitt die Femme fatale vor dem Zugriff der Polizei retten. Die «Bösen» sind davon gekommen, der Fall war (vermeintlich) gelöst; der Verwegene und die Schöne segelten in den Sonnenuntergang. Das Publikum hat sich prächtig amüsiert. Happy End!


Text und Bilder: Monica Dörig