AV - Der Nutzen des Nutzlosen ist nicht Nichts

«Im Bett mit Sisyphos» regte zum Nachdenken an. Die Kulturgruppe Appenzell hat am Samstagabend Katja Baumann und ihrer Puppe Sisyphos ein Schlafzimmer im Restaurant Alpstein in Appenzell eingerichtet. Das grosse Publikum durfte dort den Bettszenen zwischen der Bankerin und dem Philosophen beiwohnen.

Katja Baumann wird von Zuschauerinnen nach der Vorstellung manchmal gefragt, ob sie die Bauanleitung für den Sisyphos verrate. Denn wer möchte nicht einen Liebhaber, der abends das Bett anwärmt, der kuschelt wenn frau möchte, der nichts zu essen und zum Anziehen braucht? Pflegeleicht eben. Und wenn er einem verleidet, kann man ihn an der Garderobe aufhängen bis zum Abend, an dem die Karrierefrau wie jeden Tag entnervt heimkehrt.
Aber der Sisyphos, den Katja Baumann – alias Offshore-Bankerin Isabelle – aus Faserpelz und Vlieswatte, aus Schaumstoff und Tarlatan, mit Schrauben, Glitzersteinen, Schnur, Melonenlöffel, Klett- und Reissverschlüssen gebastelt hat, stellt auch Fragen: Muss man arbeiten, muss man wollen müssen? Muss man für eine in einer halben Minute gefällte Entscheidung einen Tag lang mit den ungeliebten Entscheidungsträgern golfen oder sich bei einem Arbeitsessen langweilen lassen? Sisyphos ist überzeugt: Wenn man zuviel will, muss man irgendwann nur noch müssen.

Vom Sinn und Unsinn
Die Zuschauer, die an den Szenen einer Beziehung teilhatten, mögen sich gefragt haben, ob hier nicht die Rollen vertauscht waren. Sie mussten die Fragen aushalten und die Stille dazwischen. Fragen und Antworten rührten an Existenzielles wie den Sinn des Daseins oder an Alltägliches wie Körperlichkeit und Kommunikation zwischen Paaren. Und dazwischen gab es auch ganz Profanes wie Körpergeräusche auszuhalten. Es gab zu lachen bei Situationskomik oder ein verstecktes Glucksen wenn man sich ertappt fühlte, und es machte sich betroffene Stille breit wenn Mann und Frau im Bett Fragen stellten, denen man gern ausweicht.
Sisyphos, der Ersatzmann und Stellvertreter für die ungelebten und vielleicht unbequemen Seiten der eigenen Persönlichkeit, konnte ein wenig kindisch tun, dann wieder philosophieren, war einmal ganz der Mann der sich in seiner ganzen Herrlichkeit zeigen will und dann der Mahner. Sisyhos ist der Glückliche, der nichts Produktives zu tun braucht und ist der Unglückliche der nichts Sinnvolles tut (ausser sich für die Bonobos zu interessieren). Er ist überzeugt: Der Nutzen vom Nutzlosen ist nicht Nichts.
Sisyphos hat Charakter und das Gewisse Etwas – alles was Frauen sich wünschen, oder?!

Anregung zu Diskussion und Gelächter
Katja Baumann hält in ihrem EinfrauTheater mit nichts hinter dem Berg, weder mit der schnellen körperlichen Befriedigung, noch mit mieser Laune der gestressten Werktätigen, noch mit der Meinung über die Wirtschaftswelt – auch nicht mit der Bauanleitung für Sisyphos.
Die Ostschweizer Schauspielerin ist so mutig, sich mit berührenden Fragen allein vor Publikum zu wagen, auf Klamauk zu verzichten und Pausen zuzulassen. Vielleicht ist die Gabe der Reflexion  der kleine Unterschied zwischen Mensch und Bonobo.
Das Publikum applaudierte anerkennend und nach der Vorstellung hatte es viel zu diskutieren. Dem Vernehmen nach wollen einige Frauen den Trick gegen das Schnarchen des Bettgenossen unbedingt ausprobieren. Aber der sei hier nicht verraten – besuchen Sie Isabelle und Sisyphos doch in ihrem Schlafzimmer!

Text und Bild: Monica Dörig