AV - Das Leben einer Popband

"Les trois Suisses" liessen ein begeistertes Publikum hinter die Kulissen schauen

Es ist nicht leicht, das Leben in der komischsten Popband der Schweiz. Hinter der Bühne, in der Garderobe und unterwegs wird gestritten, gelitten, geliebt, geschuftet und geschnarcht. Das und viel mehr erfuhr das Publikum am Samstagabend im «Making of»-Programm der drei Berner Musikkomödianten «Les trois Suisses». Die Kulturgruppe Gf! hatte sie zum zweiten Mal nach Appenzell eingeladen.

Sie sassen etwas nervös unter den Trockenhauben. Zwei grossgewachsene und ein herziger Musiker aus Bern. Resli Burri rezitierte Randregionen-Rap. Pascal Dussex übte die Verführung des Volkes mit Versen. Und Thomas Baumeister präsentierte nigelnagelneue niveauvolle Nummern.

Das Harmonium rockt

Woher denn die genialen Ideen kommen, möchte man wissen: Bekanntlich schreibt das Leben die besten Stories und so breiteten «Les trois Suisses» - frei übersetzt die drei Süssen - musikalisch unterlegte Kurzgeschichten, Episödchen und Stimmungsschwankungen mitten aus ihrem Dasein als nicht mehr ganz junge Boygroup im restlos ausverkauften Löwen-Saal aus.
Als Beck in the UdSSR besangen sie die Krümel im Kreml; als Tom Waits-Verschnitt schlugen sie den selbst gebastelten Bass. Scharf schossen die Multiinstrumentalisten mit ihren zu Kalaschnikows mutierten Blasinstrumenten und stimmgewaltig besangen sie die Amerikanisierung. Und wie Resli Burri mit dem uralten Harmonium rockt, ist wohl einzigartig in der heimischen Musikszene.
Eines würden sie jedoch nie tun: A-cappella singen. Doch selbst mit den einfältigsten Choreographien und abgedroschenem «Schubiduah» könnten es die drei Berner mit jedem Chörli aufnehmen. Sie spielten nämlich nicht nur Klassiker und Gassenhauer der Populärmusik auf hohem Niveau, sie können auch richtig gut singen. Und «Les trois Suisses» verfügen darüber hinaus über grosses komödiantisches Talent.

Massenverführung

Die Musiker waren sich während der Vorbereitung des Konzerts, an denen das Publikum herzhaft lachend teilnahm, nicht immer einig. Im «Making of»-Programm erfuhr das Publikum die intimsten Geheimnisse der komischen Popband.
Krisen wurden mit einer Band-Aufstellung nach Hellinger bewältigt; fortan stritten sie nicht weniger, dafür bewusster. Das wilde Musikerleben wurde mit Sex, Drugs and Rock'n'Roll bewältigt. Die individuellen Neuröschen wurden gehätschelt und Clichées bedient. Arrangements wurden hart erarbeitet und Liebeskummer gemeinsam durchgestanden. Die entsprechenden Lovesongs wie etwa «Aisha» interpretierten sie zum Steinerweichen inbrünstig.
Eine gute Band manipuliert das Publikum. «Les trois Suisses» kennen alle Kniffe und einschlägigen Methoden der Massenverführung. Nur zu gern sang und johlte und schunkelte das Publikum mit.

Greisen-Group

Der Gig rückte näher. Die drei Herren motzten sich mit Glitzer und Glamour auf. Ein fulminanter Konzertschluss löste schliesslich frenetischen Applaus aus.
Höchste Zeit, um über die Zukunft nachzudenken. Wenn kubanische Musiker bis ins hohe Greisenalter auftreten, dann werden das auch die Berner schaffen. Sie werden trotz Zipperlein noch fast genauso süss sein, fast genauso mitreissend musizieren und ihre Fans bestimmt noch genauso gut unterhalten wie am letzten Samstag in Appenzell.

Monica Dörig